Stress, Widerstandsfähigkeit und Sinnerleben

Maddi, S. R., Khoshaba, D.M., Harvey, R.H., Fazel, M., Resurreccion, N. (2011) The personality construct of hardiness, V: Relationships with the construction of existential meaning in life. Journal of Humanistic Psychology 51 (3), 369-388

Während einige Menschen durch belastende Lebensumständen überfordert sind – und unter erheblichen psychischen und gesundheitlichen Folgen leiden – gibt es auch Personen, die solche Situationen nicht nur unbeschadet überstehen, sondern längerfristig sogar daran wachsen und profitieren können.

Warum können manche Personen mehr Stress und Belastungen aushalten als andere?

Um dieser Frage nachzugehen, untersuchte das Forscherteam um die Psychologen Salvatore Maddi und Deborah Khoshaba von der University of California12 Jahre lang die Manager einer Tochterfirma der US-Telefongesellschaft AT&T. Als das Unternehmen seine Monopolstellung in Telefonsektor aufgeben musste, kam es zu Massenentlassungen und den massivsten Umbrüchen der Firmengeschichte.

In der Folge wurden bei zwei Drittel der Manager signifikante Verschlechterungen ihres Gesundheitszustandes und drastische Anzeichen von Stress beobachtet (Gewaltausbrüche, Suizide, Scheidungen, Depressionen, Herzattacken, Schlaganfälle, Angststörungen, Krebserkrankungen).

Beim verbleibenden Drittel war jedoch das Gegenteil der Fall. Diese überstanden den Stress nicht nur unbeschadet, sondern beeindruckten die Wissenschaftler durch gesteigerte Leistungsfähigkeit und verbesserte Gesundheitswerte.

Was zeichnet Personen aus, die gewissermaßen „immun“ zu sein scheinen gegenüber Belastungen?

Die Autoren konnten hierzu drei wesentliche Grundhaltungen ermitteln, die sie unter dem Begriff Widerstandsfähigkeit zusammenfassen. Diese sind: (I) Engagement, (II) Kontrolle und (III) Herausforderung.

(I)                Engagierte Menschen beteiligen sich aktiv am Geschehen anstatt sich zurückzuziehen – egal wie anstrengend das auch sein mag.

(II)             Eine hohe Kontrollüberzeugung bedeutet, nicht sofort aufzugeben, sobald man mit Stress konfrontiert wird. Man vertraut auf seine Fähigkeit Entscheidungen zu treffen, und damit den Ausgang einer Situation positiv zu beeinflussen.

(III)           Herausforderungen anzunehmen und meistern zu wollen ist die dritte Grundhaltung. Hierzu gehört auch die Einstellung, dass Stress im Leben dazugehört und man auch mal schlechte Erfahrungen machen muss, um Wachstum, Weisheit und Erfüllung zu erreichen.

Um ihre Erkenntnisse zu vertiefen, untersuchten die Wissenschaftler zudem 1.141 kalifornische Studenten anhand mehrer Fragebögen. Dabei konnten sie feststellen, dass widerstandsfähige Studenten zwar gestresster sind, dies aber weniger als Belastung empfinden. Sie sind sich ihres Stresses bewusster und beschäftigen sich intensiver damit, die zugrundeliegenden Probleme zu lösen. Des Weiteren suchen sie dabei eher die Unterstützung von ihren Mitmenschen als weniger widerstandsfähige Studenten.

Empfinden widerstandsfähige Menschen mehr Sinn im Leben?

Die Autoren konnten in ihrer Untersuchung den vermuteten Zusammenhang zwischen Widerstandsfähigkeit und Sinnerfüllung bestätigen. Demnach nehmen widerstandsfähige Menschen ihre Umwelt nicht nur realistischer und vorurteilsfreier wahr, sondern haben auch eine konkretere Vorstellung über die Rangordnung ihrer persönlichen Ziele. Sie sind dadurch imstande, tendenziell bewusstere Entscheidungen zu treffen und diese auch konsequenter umzusetzen als weniger widerstandsfähige Individuen.

Was können wir also tun um gesünder, bewusster und sinnerfüllter zu leben?

Vielleicht erst einmal Bequemlichkeiten, falsche Hemmungen und Vorurteile ablegen. Wir könnten auch versuchen öfter abseits ausgetretener Pfade zu gehen und uns neue Herausforderungen suchen.

Das vermehrt wahrscheinlich zwar unseren Stress, aber auch die Chance auf persönliches Wachstum und Entwicklung.

 

Von Christoph Hörmann

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.