Kostadinova, N. (2013). Lebenssinn und Lebensziele in Bulgarien – ein Land am Rande Europas. Innsbruck: Unveröffentlichte Diplomarbeit.
Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich mit dem Thema Lebenssinn und Lebensziele in Bulgarien. Ausgangspunkt des Forschungsinteresses waren Ergebnisse europäischer Statistiken (EQLS, 2007), wonach die Bulgaren hinsichtlich Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden an unterster Stelle selbst unter den neuen EU-Mitgliedstaaten stehen. Im Fokus stand die Frage, wie die Menschen in einem ehemaligen Ostblockland mit niedrigem Lebensstandard und hoher Armutsgefährdung Zugang zum Sinnerleben finden. Der Vergleich mit einem wohlhabenden Land wie Deutschland war von besonderem Interesse. Eine weitere zentrale Fragestellung beschäftigte sich damit, wie sich die Verfolgung von extrinsischen vs. intrinsischen Lebenszielen auf das Sinnerleben auswirkt.
Die Erhebung wurde mit Hilfe von zwei quantitativen Verfahren durchgeführt. Dafür wurde der Fragebogen zu Lebensbedeutungen und Lebenssinn (LeBe, Schnell & Becker, 2007) ins Bulgarische übersetzt. Zur Erfassung von Lebenszielen wurde der Aspiration Index aus dem Jahre 2005 von Grouzet und Kasser verwendet.
Zusammenfassend zeigten die Ergebnisse, dass in Bulgarien eine hohe Sinnerfüllung und weniger existentielle Indifferenz zu finden waren als in Deutschland, wo die existentiell Indifferenten fast um das Dreifache mehr der Bevölkerung ausmachen. Das weist darauf hin, dass diese Lebenshaltung durchaus ein Produkt der Konsum- und Wohlstandsgesellschaft sein könnte, die alle grundlegenden Bedürfnisse befriedigt und eine Übersättigung an Gütern und Informationen erzeugt. Die Befunde zeigen, dass ausreichende materielle Bedingungen nicht zwingend notwendig für ein sinnerfülltes Leben sind. Sie erschließen zwar mehr Sinnmöglichkeiten, gehen aber nicht automatisch mit Sinnerfüllung einher, die sich vor allem aus Einsatz und persönlichem Engagement für subjektiv bedeutsame Sinnquellen ergibt.
Auch die Auswirkung der Lebensziele auf das Sinnerleben wurde bestätigt. Die Verfolgung von intrinsischen Zielen als Ausdruck der innewohnenden Bedürfnisse im Menschen steigert nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch das Ausmaß der Sinnerfüllung. Menschen hingegen, die extrinsische Ziele und äußere Belohnungen anstreben, zeigten bereits höhere Ausprägungen der Skala Sinnkrise.
Mit 83% der Stichprobe erlebte der Großteil der Bulgaren ihr Leben als sinnerfüllt. Daraus wird deutlich, dass Sinnerfüllung eine andere Erlebnisqualität darstellt als Wohlbefinden. Es geht nicht darum, frei von negativen Emotionen und Depressionen zu sein, sondern das Leben nach dem subjektiv Richtigen und Wertvollen zu gestalten. Insgesamt lässt sich sagen, dass Sinnerleben in jeder Kultur und unter allen Lebensumständen unablässig stattfindet, unabhängig vom Lebensstandard und von dem erlebten Wohlbefinden als ein zur Natur des Menschen gehörendes Bedürfnis.
Hier können Sie die Arbeit als pdf herunterladen. (Zitieren: Kostadinova, N. (2013). Lebenssinn und Lebensziele in Bulgarien – ein Land am Rande Europas. Innsbruck: Unveröffentlichte Diplomarbeit. www.sinnforschung.org)