Sinn im Beruf

Wann wird ein Beruf als sinnvoll erlebt? WissenschaftlerInnen an der Universität Innsbruck setzen sich mit dieser Frage auseinander.

Was meint „Sinnerfüllung“? Kurz gesagt heißt es, dass man das eigene Leben als zusammenhängend und bedeutsam wahrnimmt, dass man sich als Teil eines größeren Ganzen versteht und grob die Richtung kennt, die man einschlagen möchte (Schnell, 2016).

Was hat Sinnerfüllung nun mit dem Beruf zu tun? Arbeit wird in der bisherigen Forschung als fundamentales Element gesehen, das Lebenssinn stiften kann. Und wer seine Arbeit als sinnvoll erlebt, arbeitet engagiert und qualitätsorientiert.

In einer Studie zum Thema fragten sich Tatjana Schnell, Thomas Höge und Edith Pollet (2013), was Arbeit generell sinnvoll macht. Ihre Ergebnissen weisen in die Richtung, dass weniger die Eigenschaften der arbeitenden Personen, sondern die gelebten Werte des Unternehmens entscheidend dafür sind, dass Sinnerleben am Arbeitsplatz stattfinden kann. Zusätzlich tragen Merkmale der Arbeitsaufgabe und die Passung von Person und Arbeitstätigkeit zum Sinnerleben bei. In einer anderen Studie (Höge & Schnell, 2012) gingen die PsychologInnen der Frage auf den Grund, wie Arbeitsengagement mit Sinnerfüllung in Zusammenhang steht.

Die Innsbrucker WissenschaftlerInnen arbeiteten vier Kernaspekte heraus, aus denen Sinnerfüllung entstehen kann: Kohärenz, Zielorientierung, Bedeutsamkeit und Zugehörigkeit. Diese vier Prinzipien tragen dazu bei, dass sowohl das eigene Leben als auch der eigene Job als sinnvoll wahrgenommen werden:

1)      Durch die Übereinstimmung der eigenen Person mit der Rolle, die einem durch die Arbeitstätigkeit zugeschrieben wird, kommt Kohärenz zustande. Eine Tätigkeit im Unternehmen sollte im Idealfall zu der eigenen Persönlichkeit, Zielen und Lebensaufgaben passen.

2)      Für die Zielorientierung sind Werte und Normen des Unternehmens ausschlaggebend. Jedes Unternehmen handelt nach bestimmten Werten, die durch die Unternehmensführung vermittelt werden. Wenn die Unternehmensführung nicht vertrauenswürdig und integer handelt, kann das zu einem Mangel an Sinnerleben in der Arbeit führen.

3)      Bedeutsamkeit bezieht sich auf die Konsequenzen, die eigene Arbeitshandlungen haben. Hat meine Tätigkeit einen Einfluss auf andere Menschen? Kann ich etwas zur Organisation, für die Gesellschaft oder zum Weltgeschehen beitragen? Erlebte Bedeutsamkeit geht einher mit Gefühlen von Autonomie und Kompetenz und schlägt sich positiv auf das Sinnerleben im Beruf nieder.

4)      Wenn ein Unternehmen dazu beiträgt, dass sich MitarbeiterInnen als Teil einer kollegialen Gemeinschaft fühlen, erwächst daraus ein Gefühl der Verbundenheit und Zugehörigkeit. Dieses trägt dazu bei, dass die Bindung an die Organisation wächst und die Arbeit als sinnvoll wahrgenommen wird.

Die Ergebnisse:

Soziomoralische Atmosphäre Dieses von Prof. Dr. Wolfgang Weber entwickelte Konzept beschreibt eine Kommunikationskultur, bei der man Probleme offen anspricht. Emotionale Unterstützung und Toleranz gegenüber Fehlern sind vorhanden, sodass ein Gefühl der Wertschätzung entsteht. Kommuniziert wird zwanglos, das heißt, dass über Regeln auch diskutiert und gestritten werden darf und diese nicht widerstandslos hingenommen werden. Zwischen einer soziomoralischen Atmosphäre und Sinnerfüllung besteht ein Zusammenhang. Nach den aktuellen Ergebnissen zeigt sich, dass Unternehmen, die eine derartige Unternehmenskultur pflegen, dafür mit sinnerfüllten MitarbeiterInnen und steigendem Arbeitsengagement belohnt werden.
In diesem Video erklärt Herr Prof. Dr. Wolfgang Weber persönlich was er unter einer sinnvollen Unternehmenskultur versteht.

Insbesondere die Bedeutsamkeit der Arbeitsaufgabe und das organisationale Klima (im Sinne einer soziomoralischen Atmosphäre, siehe Kasten) tragen dazu bei, dass die eigene Arbeit als sinnvoll empfunden wird. Darüber hinaus sorgt die Passung von Person und Arbeitstätigkeit (=Kohärenz) für Sinnerleben im Beruf. Eine selbsttranszendente Orientierung des Unternehmens (die Absicht, etwas zu schaffen, das über einen selbst hinausgeht) ist, wenn auch in geringerem Ausmaß, dem Erleben von Sinnhaftigkeit förderlich: Wenn das Unternehmen Verantwortung für das Wohlergehen anderer übernimmt, kann es das Sinnerleben der MitarbeiterInnen zusätzlich steigern.

In einer anderen Studie (Höge & Schnell, 2012) zeigte sich, dass Sinnerleben eng an Arbeitsengagement gebunden ist: Nur, wenn eine Tätigkeit als sinnerfüllend bewertet wird, kann die Motivation aufkommen, sich für die Tätigkeit voller Vitalität und Hingabe einzusetzen. Auch das Gefühl des Aufgehens in der Arbeit kann nur bei erlebter Sinnhaftigkeit aufkommen. Die erlebte Bedeutsamkeit ist auch in diesem Fall besonders wichtig – sowohl für die erlebte Sinnhaftigkeit als auch für das Arbeitsengagement.

Fazit:
Sinnerfüllung im Beruf ist unerlässlich für Engagement am Arbeitsplatz. Als wichtigste Sinnquelle hat sich die Bedeutsamkeit der Arbeitsaufgabe herausgestellt: Eine Tätigkeit ist dann sinnvoll, wenn sie positive Auswirkungen hat. Etwas zu schaffen, das für die Gesellschaft, die Umwelt oder andere Personen von Wert ist, wird als sinnstiftend erlebt. Dieses Sinnerleben ist dabei nicht nur Selbstzweck: Arbeit wird positiver erlebt und produktiver ausgeführt.

 Was bedeutet das nun für ArbeitgeberInnen und –nehmerInnen?

Sinn im Beruf kann nicht einfach von der Seite der Unternehmensführung her implementiert werden, allerdings kann Sinnerleben von der Seite der Organisation her erleichtert werden:

  • Arbeitende Personen sollten eine Tätigkeit ausführen, die zu ihnen passt, da Sinnerleben immer auch von dieser Passung abhängt. Diese kann durch eine sorgfältige Personalauswahl und –platzierung hergestellt werden. Um eine möglichst große Übereinstimmung zwischen persönlichen Anliegen und Arbeitsaufgaben herstellen zu können, sollten Arbeitende die Möglichkeit haben, zwischen verschiedenen Aufgaben im Unternehmen wählen zu können.
  • Zudem sollten ArbeitgeberInnen sich darum bemühen, ihren Beschäftigten eine Position zu bieten, in der diese relativ selbstbestimmt arbeiten und kreativ mitgestalten können; damit steigt das Sinnerleben im Beruf und das Arbeitsengagement.
  • Im Kreis der KollegInnen ist es wünschenswert, füreinander einzustehen: eine Abkehr vom Konkurrenzdenken hin zu Kollegialität steigert das Sinngefühl der/des Einzelnen. Das Zugehörigkeitsgefühl der MitarbeiterInnen wird so verstärkt. Für die Arbeitgeberseite hat dies zur Folge, dass sich Arbeits- und Unternehmensstrukturen, die auf innerbetriebliche Solidarität abzielen, positiv auswirken.
  • Eine Unternehmenskultur, in der auf Mitbestimmung bzw. Mitsprache der ArbeitnehmerInnen Wert gelegt wird, bringt ein subjektives Sinngefühl mit sich und drückt sich auch in stärkerem Engagement der MitarbeiterInnen aus. Transparenz, Kommunikation und Einblicke machen wirken sich positiv auf die erlebte Bedeutsamkeit der Arbeitsaufgabe aus.
  • Im Unternehmen sollte eine offene Diskussion über Fragen bezüglich Verantwortlichkeit und Nachhaltigkeit geführt werden. Eine Orientierung hin zu größeren Zielen, die über Einzelne und das Unternehmen hinausgehen, ist förderlich. Einzelne MitarbeiterInnen sollten in Verantwortlichkeiten einbezogen werden. Aus dieser Verantwortung heraus sollten den MitarbeiterInnen nicht nur Pflichten entstehen, sie sollten  ihnen auch Nutzen bringen, z.B. über Gewinnbeteiligungen. So kann das Engagement der MitarbeiterInnen langfristig gesteigert werden.

Von Sebastian Roth

Quellen:

Höge, T. & Schnell, T. (2012). Kein Arbeitsengagement ohne Sinnerfüllung. Eine Studie zum Zusammenhang von Work Engagement, Sinnerfüllung und Tätigkeitsmerkmalen. Wirtschaftspsychologie, 1, 91-99.

Schnell, T. (2016). Psychologie des Lebenssinns. Springer: Heidelberg, Berlin, New York.

Schnell, T., Hoege, Th., & Pollet, E. (2013). Predicting Meaning in Work: Theory, Data, Implications. The Journal of Positive Psychology. DOI: 10.1080/17439760.2013.830763.

Weber, W. G., Unterrainer, C. & Höge, T. (2008). Socio-moral Atmosphere and Prosocial and Democratic Value Orientations in Enterprises with Different Levels of Anchored Participation. Zeitschrift für Personalforschung, 22 (2), 171-194.

Weiterführende Quellen:

Interview mit Prof. Wolfgang Weber über Sinn im Beruf.

Interview mit Prof. Dr. Theo Wehner über sinnvolles Arbeiten.

Borck, G. (2012). Affenmärchen – Arbeit frei von Lack und Leder. Gratis download von Webpage Gebhard Borck.

Klein, S. (2010). Der Sinn des Gebens: Warum Selbstlosigkeit in der Evolution siegt und wir mit Egoismus nicht weiter kommen. Frankfurt: Fischer Verlag.

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