Wie möchten Sie nach Ihrem Tod erinnert werden?

Heintzelman, S. J., Trent, J., & King, L. A. (2016). How would the self be remembered? Evidence for posthumous self-verification. Journal of Research in Personality, 61, 1-10.

 

Bei der Interaktion mit anderen Menschen gibt es zwei Möglichkeiten, die gewählt werden können, um sich selbst darzustellen:

  • Selbstaufwertung: das Selbst in einem überaus positiven Licht darstellen

oder

  • Selbstverifikation: das Selbst voll und ganz zu verifizieren, d.h. sich so darstellen, wie man sich selbst wahrnimmt.

Frühere Studien konnten zeigen, dass Menschen eher dazu neigen, die Selbstverifikation zu wählen. Die Gründe werden darin gesehen, dass selbst-verifizierende Interaktionen sozial dienlicher sind und keine unrealistischen Erwartungen bei anderen schaffen. Andererseits erscheinen damit soziale Interaktionen beherrschbarer und leichter einschätzbar. Zudem dient die Selbstverifikation der Bestätigung der Selbstkenntnis. Diese Aspekte erscheinen zwar zu Lebzeiten wichtig, aber nach dem Tod stellen sie eigentlich keine Relevanz mehr dar.

Wie würden Sie nach Ihrem Tod erinnert werden wollen?

In vorliegender Untersuchung wurden vier Studien durchgeführt, die verschiedene Aspekte dieser Fragestellung untersuchten. Es konnte sich zeigen, dass die meisten der Probanden über alle Studien hinweg so erinnert werden wollten, wie sie wirklich sind. Genauso konnte festgestellt werden, dass Menschen mit einem höheren Selbstwert auch eher dazu neigen, selbst-verifizierende Darstellungen nach dem Tod zu präferieren. Und Menschen, die einen geringeren Selbstwert aufweisen, bevorzugen es, sich nach dem Tod besser darzustellen, als sie sich eigentlich selbst wahrnehmen.

Auch ergab sich Folgendes: Je authentischer jemand sich verhält, desto eher wünscht er sich eine wahrheitsgetreue Darstellung des Selbst nach dem Tod. Genauso konnte festgestellt werden, dass es für die Präferenz der postumen Selbstverifikation nicht ausschlaggebend ist, ob eine Person sich in soziale Kontexte eingebettet oder als völlig unabhängig von Anderen fühlt. Somit spielt es wohl keine Rolle, wie individualistisch oder kollektivistisch das Leben gestaltet wird.

Überraschend war, dass Frauen höhere Werte beim Wunsch eines akkuraten postumen Selbstbildes aufwiesen.  Ebenso konnten ethnische Unterschiede festgestellt werden. So hatten weiße Amerikaner weniger das Bedürfnis wahrheitsgetreu erinnert zu werden, als Afro-Amerikaner. Des weiteren konnte verzeichnet werden, dass die Sorge um die wahrheitsgetreue Darstellung des Selbst nach dem Tod eher bei Menschen mit Charaktereigenschaften wie Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit oder Offenheit gefunden werden kann, weniger jedoch bei extravertierten oder emotional stabilen Persönlichkeiten.

Auch weisen Ergebnisse daraufhin, dass Menschen,  die zu einer postumen Selbstverifikation neigen, eher Sinn im Leben empfinden oder auf der Suche nach Sinn sind.

Nicht zuletzt weisen die Autoren darauf hin, dass der sogenannte death positivity bias bei den erhobenen Einstellungen eine Rolle spielen mag: In den meisten Gesellschaften gilt die Norm, nicht schlecht über Verstorbene zu sprechen. Eine postume Selbstverifikation ist somit weniger mit dem Risiko behaftet, negativ erinnert zu werden.

Würden Sie so erinnert werden wollen, wie Sie sind, wenn das auch ein negatives Bild von Ihnen bedeuten könnte?

Die Studien wiesen darauf hin, dass – auch wenn den Probanden negative Aspekte von ihnen bewusst gemacht wurden – dies nicht den Wunsch nach Selbstverifikation nach dem Tod beeinflusste. Erstaunlich ist also, dass es den Probanden nicht darum ging, sehr positiv dargestellt und somit auch so erinnert zu werden, sondern es ihnen viel wichtiger war, genau so erinnert zu werden, wie sie wirklich sind, – auch wenn dies womöglich negative Aspekte des Selbst beinhaltete.

Fazit

Die Kontinuität des Selbst, sogar bis nach dem Tod, stellt laut dieser Ergebnisse eine wichtige existentielle Herausforderung für uns Menschen dar. Es geht bei der Tendenz zur Selbstverifikation somit nicht nur um die Erleichterung von sozialen Interaktionen, richtige Anpassung und Zukunftsstabilität. Womöglich geht es vielmehr um die Wichtigkeit der Kohärenz unseres Selbst in einer Welt, die Sinn macht, als Teil der Erfahrung von Sinn im Leben.

So ist die richtige und wahre Darstellung des Selbst eine dem Menschen innewohnende Aufgabe, nach deren Erfüllung wir offenbar streben. Die meisten von uns haben das Bedürfnis, unser wahres Ich zu verwirklichen und es so wie es ist auch der Welt zu zeigen. Ein geringer Selbstwert oder eine geringe Sinnerfüllung können womöglich den Mut für diese Aufgabe nehmen.

Zusammengefasst von Miriam Böhmer

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