Der Sinn und die Bedeutung von Arbeit

Cartwright, S. & Holmes, N. (2006).  The meaning of work: The challenge of regaining employee engagement and reducing cynicism. Human Resource Management Review (16), 199-208.

Was sind für Sie die wichtigsten Aspekte einer guten Arbeit? Gute Bezahlung und Sicherheit des Arbeitsplatzes? Interessante Tätigkeiten, freundliche und hilfsbereite Kollegen oder etwas für die Gesellschaft zu tun? Untersuchungen zeigen, dass die drei letzteren Merkmale meist als wichtiger erachtet werden als Geld. Von mehreren ForscherInnen wurde argumentiert, dass die stärkere Betonung von Autonomie, Erfüllung und sozialen Beziehungen eine Wende von materialistischen zu postmaterialistischen Werten markiere. Ebenso steht das Argument zur Diskussion, dass der wachsende Zynismus im Kontext des Arbeitsalltags auf eine Nichterfüllung dieser Werte zurückzuführen ist. Die folgenden Absätze stellen Susan Cartwrights und Nicola Holmes Analysen zu Sinn und Bedeutung der Arbeit für unser Leben dar.

Der soziale Aspekt der Arbeit

In einer Studie, die bei den beliebtesten Arbeitgebern des Vereinigten Königreichs durchgeführt wurde, beschrieben 91% der  Angestellten ihre Firma als einen freundlichen Arbeitsplatz mit guten Möglichkeiten zur sozialen Interaktion. Schon vor vielen Jahren war die Bedeutung sozialer Beziehungen und Freundschaften für das Wohlbefinden von ArbeitnehmerInnen bekannt. Trotzdem nahmen im Laufe der Zeit die Möglichkeiten zur sozialen Vernetzung am Arbeitsplatz ab. Zunehmender Zeitdruck und eine gestiegene Beanspruchung der Arbeitnehmer hatten neben einem geringeren Ausmaß an Kontakten auch eine Verminderung der Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen im Arbeitsalltag zur Folge. Die Etablierung  elektronischer Medien zur Kommunikation, auch über nur geringe Entfernungen, und die zunehmende räumliche Distanz zwischen den Menschen, die sich durch ein dezentralisiertes Arbeitsumfeld ergibt, festigten diesen Trend.

Balance zwischen dem Arbeitsleben und dem Privatleben

Ein intaktes Arbeitsleben ist das Eine, ein intaktes Privatleben das Andere. Die meisten Menschen sind um ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen ihrem Arbeits- und Privatleben bemüht. So wird für viele eine befriedigende »Work-life balance« zum Kriterium für die passende Arbeitsstelle. Die Technologie, die den ArbeitnehmerInnen die zu erledigenden Aufgaben auch mit nach Hause gibt, hat die Grenzen zwischen Arbeitsplatz und Zuhause verwischt. Arbeitsaufgaben, die von Zuhause aus erledigt werden können, lassen aber auch die strikte Trennung von Arbeitszeit und Freizeit verschwimmen. Unter dieser Entgrenzung kann das Privat- bzw. Familienleben sehr leiden. Um dem vorzubeugen, könnten Organisationen ihren Angestellten ein individuell flexibles Zusammenspiel zwischen Arbeit und Privatleben ermöglichen und damit deren Privatleben schützen.

Die Rolle der persönlichen Werte und der Werte des Unternehmens

Als einer der Hauptgründe, den Beruf zu wechseln, wurde das Bedürfnis nach sinnvoller Arbeit identifiziert.  Es ist die Nichtübereinstimmung zwischen den persönlichen Werten und den Werten bzw. dem tatsächlichen Verhalten, das ein Unternehmen repräsentiert, die viele Menschen zum Karrierewechsel veranlasst. Anders gesagt ist es die Suche nach sinnvoller Arbeit, die die Angestellten drängt. Vergangene Skandale haben gut gezeigt, dass unethisches Verhalten von Unternehmen die Sinnhaftigkeit der Arbeit in Frage stellen kann. Fällt der Abgleich zwischen dem Verhalten des Unternehmens und den eigenen Werten negativ aus, kann sogar das Selbstwertgefühl darunter leiden. Dabei kann für die Angestellten das Image des Unternehmens oder eines Produkts von großer Bedeutung sein, da seine Mitmenschen dazu neigen, ihm bzw. ihr persönlich diese Eigenschaften anzuheften. Neben der finanziellen Lage eines Betriebes zählt für die Bewertung vor allem sein Umgang mit Mensch und Umwelt.

Betriebsrhetorik kontra Realität

Die ethischen und moralischen Statements eines Unternehmens und das tatsächliche Verhalten können erheblich voneinander abweichen. Herriot (2001) weist auf drei besonders offensichtliche Brüche hin:

–         Die Betonung von individueller Autonomie, wenn in Realität von den Angestellten erwartet wird, dass sie sich exakt den Vorschriften gemäß verhalten.
–         Die Betonung von Gleichheit, Gerechtigkeit und fairer Behandlung, während Angestellte mit verschiedenen Arbeitsverhältnissen unterschiedlich gut behandelt werden.
–         Jene Rhetorik, die ständigen Wandel als nötig und rational präsentiert, während dieser Wandel tatsächlich aber lediglich eines bedeutet: mehr Arbeit für dieselbe Belohnung.

Die beiden Autorinnen des hier zusammengefassten Artikels, Susan Cartwright und Nicola Holmes, rufen Arbeitgeber dazu auf, Sinn, Bedeutung und emotionale Aspekte der Arbeit ernst zu nehmen. Sie unterstreichen ihr Plädoyer mit folgendem Zitat:

»Work is about a search for daily meaning as well as daily bread, for recognition as well as cash, for astonishment rather than torpor, in short for a sort of life rather than a Monday to Friday sort of dying« (Terkel, 1972).

Deutsch: »Arbeit steht für ein Bedürfnis nach täglichem Sinn ebenso wie nach täglichem Brot, für die Suche nach Anerkennung ebenso wie nach Entlohnung; sie steht für Staunen, nicht für Erstarrung. Kurz gesagt: es geht um die Art zu leben, nicht um die Art, von Montag bis Freitag zu sterben.«

Literatur:
Herriot, P. (2001). Future work and its emotional implications. In R. L. Payne & C.L. Cooper (Eds.), Emotions at work: Theory, research and applications for management. Chichester: John Wiley.
Terkel, S. (1972). Working. New York: Avon Books.

Zusammengefasst von Daniel Purtscheller

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