Welche Merkmale einer Tätigkeit haben Einfluss auf das Sinnerleben im Beruf? Wie müssen die Organisation und das Klima in einem Unternehmen erlebt werden, um Sinnerfüllung bei den Mitarbeitern zu ermöglichen?
Nach Schnell, Höge & Pollet (im Druck) gibt es einige Merkmale der Tätigkeit, der Organisation und des Individuums, durch die man einen großen Teil des Sinnerlebens bei der Arbeit erklären kann.
Bild: Faktoren zur Vorhersage des Sinnerlebens im Beruf auf Persönlichkeits-, Tätigkeits- und Organisations-Ebene
Im Folgenden wollen wir einige davon anhand eines konkreten Beispiels, der Erfahrung eines sechsmonatigen Praktikums bei einem deutschen Automobilhersteller, betrachten.
Bedeutsamkeit der Aufgabe
Die Bedeutsamkeit einer Tätigkeit gibt an, wieviel Auswirkung unsere Arbeit auf andere Personen, die Organisation oder die Gesellschaft hat.
Die Arbeit in meinem Praktikum war von strategischer und planender Art. Ihr Einfluss auf die Arbeit anderer Personen im Unternehmen war zwar vorhanden, daneben gab es jedoch keine Auswirkungen auf das Privatleben anderer Menschen oder die Gesellschaft.
Gefühl der Zugehörigkeit am Arbeitsplatz
Des Weiteren ist unser Sinnerleben davon abhängig, wie wir die sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz erleben.
In meinem Praktikum war es üblich, die Mittagspause mit Arbeitskollegen und anderen Praktikanten zu verbringen. Dies ermöglichte, über das Berufliche hinaus Beziehungen aufzubauen. Zusätzlich gab es gelegentlich Ausflüge in Biergärten oder Restaurants, was zu einer guten Gemeinschaft im Team verhalf.
Werte und Führung im Unternehmen
Die meisten Unternehmen haben bestimmte Werte in ihrer Unternehmenskultur verankert. Um den Mitarbeitern Sinnerleben zu ermöglichen, müssen diese Werte jedoch von Führungskräften und Mitarbeitern gelebt werden. Werte, die uns Autonomie und selbstständiges Arbeiten ermöglichen, sind eine gute Voraussetzung für Sinnerfüllung am Arbeitsplatz.
Im Praktikum wurden diese Werte jedoch nur kommuniziert und nicht in die Tat umgesetzt. Die erlebte Entscheidungsfreiheit war beispielsweise nicht gegeben, da meine Vorschläge nicht ernst genommen und stattdessen prinzipiell die der Führungskraft umgesetzt wurden.
Übereinstimmung des Selbstkonzeptes mit der Aufgabe bzw. Organisation
Die Sinnerfüllung in der Arbeitswelt hängt zudem davon ab, wie stark unser Selbstkonzept mit der Rolle übereinstimmt, die unser Arbeitsplatz vorsieht.
Diesbezüglich habe ich im Praktikum unweigerlich Diskrepanzen wahrgenommen. Das vorherrschende Selbstmarketing durch ständige Betonung der eigenen Stärken und das wissenschaftliche Arbeiten im Unternehmen stimmten nicht mit meinen Vorstellungen überein.
Die soziomoralische Atmosphäre ist eine Kommunikationskultur, die förderlich für unser Sinnerleben im Beruf ist.
Das Unternehmen in meinem Praktikum hat in einigen Punkten geschafft, eine positive soziomoralische Atmosphäre herzustellen. Es gab die Möglichkeit Probleme mit seinem Vorgesetzten offen anzusprechen, und eine gewisse Toleranz gegenüber Fehlern bei der Arbeit war vorhanden. Zudem war die Unterstützung durch die Arbeitskollegen meist sehr gut.
Im Gegensatz dazu gab es keine Möglichkeit, sich zwanglos über geltende Normen des Unternehmens zu äußern. Die kulturellen Werte sollten vom Arbeitnehmer möglichst angenommen und nicht offen hinterfragt werden.
Was bedeutet das für mich?
Mein Sinnerleben während des Praktikums war tendenziell gering, ebenso die Arbeitsmotivation. Sowohl die Gestaltung der Arbeit als auch die soziomoralische Atmosphäre und die Organisation spiegelten sich in meiner persönlichen Sinnerfüllung wider. Für mich waren vor allem die gelebten Werte, die Führung und die fehlende Übereinstimmung zwischen meinem Selbstkonzept und der Rolle im Praktikum ausschlaggebend dafür. Zusätzlich wurde mir im Praktikum von Unternehmensseite her keine Zukunftsperspektive vermittelt.
Meiner Ansicht nach haben die meisten Unternehmen Werte in ihrer Unternehmenskultur, die den Mitarbeitern sinnerfülltes Arbeit ermöglichen können. Sie sollten jedoch verstärkt darauf achten, dass diese Werte nicht nur kommuniziert sondern auch tatsächlich gelebt werden.
Jessica Färber
Quelle: Schnell, T., Höge, T., & Pollet, E. (in press). Predicting Meaning in Work: Theory, Data, Implications. Journal of Positive Psychology.