Schnell, T., & Pali, S. (2013). Pilgrimage Today: The Meaning-Making Potential of Ritual. Mental Health, Religion & Culture, 16(9), 887-902. Full text available
Das Pilgern auf dem Jakobsweg erfreut sich großer Beliebtheit. Man kann sich die Frage stellen, was Menschen auch heute noch dazu bewegt, sich freiwillig auf eine solche anstrengende Reise zu begeben. Die Pilgerreise auf dem Jakobsweg ist ein altes christliches Ritual – und doch tritt offenbar nur eine Minderheit die Reise aus religiösen Gründen an:
In einer aktuellen Studie untersuchten Sarah Pali und Tatjana Schnell, welche Effekte eine Pilgerreise auf dem Jakobsweg auf die Pilger hat, vor allem in Hinblick auf Sinnquellen und wahrgenommenen Lebenssinn.
Wie die Studie zeigt, verstehen Pilger den Jakobsweg weniger als ein christliches denn als ein persönliches Ritual. Die Motive, den Weg zu gehen, sind vielfältig und reichen von der Suche nach Klärung über religiöse Gründe bis hin zu rein weltlichen Belangen (z.B. athletische Herausforderung).
Wenn das Pilgern ein sinnstiftendes Ritual ist, so argumentieren Schnell und Pali, dann sollten Sinnkrisen nach der Reise verringert sein, das Erleben von Sinnerfüllung aber stärker.
Um zu überprüfen, ob ihre Überlegungen zutrafen, erhoben Schnell und Pali bei Pilgern vor der Reise, direkt nach der Reise und nochmals vier Monate nach der Reise das Ausmaß von Sinnerfüllung und Sinnkrise.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Sinnerfüllung bei den Pilgern nach ihrer Reise nennenswert gestiegen ist. Bei den sieben Personen, die vor ihrer Reise eine Sinnkrise hatten, war diese danach nicht mehr vorhanden. Bei allen Pilgern konnte man nach der Reise höhere Werte von Selbsttranszendenz erkennen. Außerdem wurde ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl und eine tiefere Verbundenheit zur Natur berichtet.
Aus welchen Gründen auch immer – Menschen scheinen auch heute die Anstrengungen einer Pilgerreise als eine wertvolle Erfahrung zu betrachten. Und das Potential einer Pilgerreise ist nach wie vor groß.
Thomas Egger