Der Bayrische Rundfunk hat sich auf die Suche nach Glaubensformen der Gegenwart gemacht – und wir haben gemeinsam den „Credomaten“ entwickelt. Die Projektleiterin, Christiane Miethge, fasst es folgendermaßen zusammen:
Die wissenschaftliche Entwicklung des CRED-O-MAT
Die Entdeckung: Geglaubt wird nicht nur an Gott – Glaube findet man in allen Lebensbereichen
Durch die Diskussionen auf diesem Blog haben wir viel gelernt. Und sind zu dem Schluss gekommen: Ein persönlicher Gott mit weißem Rauschebart mag nicht mehr für alle Menschen up-to-date sein. Aber geglaubt wird bei uns an allen Straßenecken. Nur eben nicht überall im Sinn einer der großen Weltreligionen. Ein paar Beispiele: Apple Fans kampieren tagelang vor den Stores, Nachhaltigkeitsfreaks verehren die Natur und Luxus-Gläubige katapultieren sich mit Diamanten, teuren Autos und Champagner in den Himmel.
Und all das ist im Kern sehr ähnlich wie das, was Gläubige in Kirchen, Moscheen oder Synagogen denken, fühlen und erleben – das sagen nicht nur wir, sondern auch zahlreiche Wissenschaftler. Religiosität ist nicht verschwunden, sie ist nur für viele Menschen aus den expliziten Gotteshäusern geflohen und auf die Straße, in den Alltag gewandert. Bereits in den 1920ern entdeckte Carl Christian Bry diese „verkappte Religiosität“ – im Vegetarismus, im Okkultismus, im Technikglaube, sogar in der Psychoanalyse. Auch bekannte Soziologen wie Berger und Luckmann stellten die These der Diesseitigkeit der Religion auf – und konnten sie seitdem immer wieder bestätigt.
Eine der führenden Wissenschaftler in diesem Gebiet ist Dr. Tatjana Schnell. Religions- und Sinnforschung ist ihr Spezialgebiet. Nach Tatjana Schnell machen eine Religion vor allem drei Dinge aus: Mythen, Rituale und Transzendierungserfahrungen. Zu Deutsch: identitätsstiftende Erzählungen, heilige Handlungen (der Kaffee am Morgen J), und das Gefühl in etwas aufzugehen, das größer ist, als man selbst. Und alle drei Elemente findet man bei den Applejüngern, Nachhaltigkeitsfreaks, Luxusanbetern genau so wie bei betenden Moslems in Mekka oder knienden Nonnen im Kloster. Und tatsächlich sieht man auf den Gesichtern von Applefans eine religiöse Verklärtheit, wenn sie nach zwei durchwachten Nächten von Jubeln und Klatschen begleitet, die heiligen Hallen eines neuen Apple-Tempels betreten. Tatsächlich kann das Betreten eines Clubs oder Modegeschäfts ein Schwellenerlebnis sein, ein magisches Eintreten in eine andere, feierliche Welt. Und Naturanbeter empfinden ein himmlisches Gefühl, wenn sie Bäume umarmen oder Entenfamilien über die Straße helfen. Wissenschaftlich formuliert, klingt das dann so. Tatjana Schnell: „Religiosität findet man in Lebensbereichen, die als sinnstiftend erlebt werden, die wichtiger und größer sind als das einfache, kleine Ich“.