Einkommen und Sinn: Warum man zur Sinnerfüllung nicht so viel Geld braucht, wenn man glücklich ist.

Ward, S. J., & King, L. A. (2016). Poor but Happy? Income, Happiness, and Experienced and Expected Meaning in Life. Social Psychology and Personality Science, 7(5), 463-470.

Ausgangssituation

Obwohl man im Volksmund oft sagt: „Geld ist nicht alles im Leben“, deuten doch einige frühere Forschungsergebnisse darauf hin, dass die Höhe des Einkommens in Zusammenhang mit der Sinnerfüllung im Leben steht (siehe Kasten). Ebenfalls in Zusammenhang mit Sinnerfüllung steht auch das eigene Glücksempfinden (engl. positive affect). Dieses konnte in der Vergangenheit bereits als ein Faktor ausgemacht werden, der das Empfinden von Sinnerfüllung trotz des Fehlens wichtiger Sinnquellen (z.B. soziale Eingebundenheit, religiöses Zugehörigkeitsgefühl) ermöglichen kann. In der vorliegenden Studie wurde nun untersucht, ob der Effekt, der zwischen Einkommenshöhe  und Sinnerfüllung beobachtet werden konnte, möglicherweise auch in Zusammenhang mit Glücksempfinden steht.

Je mehr, desto besser? Kobau und KollegInnen berichteten 2010, dass US-Amerikaner mit einem Jahreseinkommen ab 60.000 US$ihr Leben als sinnvoller ansahen als solche mit einem Jahreseinkommen unter 15.000 US$ . Ähnlich wie beim Zusammenhang zwischen Glück und Einkommen ist jedoch anzunehmen, dass ab einer bestimmten Einkommenshöhe nicht gilt: Je höher das Einkommen, desto mehr Sinnerfüllung. Obwohl die Autoren zu dieser Frage keine Angabe machen, dürfte es wohl so sein, dass mehr Geld im Monat für ärmere Menschen mehr Einfluss auf ihre Sinnerfüllung hat als für reichere, die davon weniger spüren würden. Dazu auch interessant: Käufliches Glück?

Methodik

Zur Beantwortung der obigen Forschungsfrage wurden insgesamt drei Einzeluntersuchungen durchgeführt. In der ersten wurden anhand der Daten einer US-weiten, repräsentativen Umfrage mit insgesamt 1666 Befragten der statistische Zusammenhang zwischen Einkommen und Sinnerfüllung ermittelt. Auch der Einfluss, den Glücksempfinden auf diesen Zusammenhang möglicherweise ausüben kann, wurde dabei untersucht. In der zweiten Studie wurden 203 amerikanische Probanden in zwei Gruppen aufgeteilt: In der einen wurden die Versuchsteilnehmer anfangs gebeten, sich zuerst ein Ereignis vorzustellen, das sie sehr glücklich machen würde und im Anschluss daran einen Text über ihre Gefühle und Gedanken bezüglich dieses Ereignisses zu schreiben. Die zweite Gruppe der Probanden erhielt eine ähnliche, aber neutrale Aufgabe währenddessen. Am Ende der Untersuchung sollten alle Teilnehmer dann noch einen Fragebogen zu ihrer momentanen Sinnerfüllung im Leben ausfüllen und angeben, wie viel ihr ungefähres Einkommen beträgt. In der dritten Teiluntersuchung schließlich sollten die Probanden sich in ähnlicher Weise wie in der zweiten Studie eine Zukunft vorstellen, in der sie entweder sehr reich oder sehr arm sein würden. Im Anschluss daran sollten sie einschätzen, wie glücklich sie sich fühlen würden, wenn sie tatsächlich das vorgestellte Leben leben würden und auch, wie sinnerfüllt sie in einer solchen Zukunft wohl wären.

Ergebnisse

Anhand der Ergebnisse der ersten Studie konnte bestätigt werden, dass – wie schon in früheren Forschungen gezeigt – die Höhe des Einkommens einen Zusammenhang zum Ausmaß der Sinnerfüllung einer Person aufweist. Bei näherer Betrachtung zeigte sich jedoch auch, dass dieser Zusammenhang zwischen Einkommen und Sinnerfüllung abhängig vom Ausmaß des Glücksempfindens ist: Wenn das Glücksempfinden von Personen hoch ist, ist im Durchschnitt auch der Grad an Sinnerfüllung sehr hoch – und das unabhängig vom Einkommen der jeweiligen Person. Ist das Glücksempfinden jedoch niedrig ausgeprägt, weist das Einkommen einer Person einen weit stärkeren Zusammenhang zur Sinnerfüllung dieser Person auf. In der zweiten Studie zeigte sich, dass für Probanden, die durch die Vorstellungsaufgabe in eine positive Stimmung versetzt wurden, der Zusammenhang zwischen Einkommen und Sinnerfüllung deutlich geringer ausgeprägt war (bzw. nicht vorhanden war), im Vergleich zu Versuchspersonen, die die neutrale Aufgabe bekamen. In der dritten Untersuchung schließlich konnte beobachtet werden, dass Probanden ihre Zukunft als sinnerfüllter erwarteten, wenn sie sich diese Zukunft in Reichtum im Gegensatz zu in Armut lebend vorstellten. Dieses Ergebnis traf in besonderer Weise für die Menschen zu, die ihre vorgestellte Zukunft zusätzlich als nicht sehr glücklich prognostizierten.

Fazit

Die vorgestellte Arbeit zeigt, dass die Höhe des Einkommens offenbar einen Zusammenhang zum Ausmaß, in dem Menschen ihr Leben als sinnerfüllt erleben, aufweist. Die Ergebnisse legen auch nahe, dass das Empfinden von Glück einen vermeintlich negativen Effekt von geringem Einkommen auf das Erleben von Sinn ausgleichen kann. In anderen Worten kann man also sagen: Wer glücklich ist, braucht nicht unbedingt viel Geld, um sinnerfüllt zu sein.

Was diese Untersuchung nicht beantworten kann, ist die Frage, in welche Richtung nun dieser beobachtete Effekt verläuft: Es wäre einerseits denkbar, dass Jobs, die relativ gut bezahlt werden, auch mehr Chancen und Möglichkeiten bieten, Sinn im Leben zu empfinden. Beispiele dafür wären eventuell mehr Freiheiten im Setzen von Zielen und im Erleben von Autonomie und Kompetenz. Andererseits wäre es auch denkbar, dass sinnerfüllte Menschen im Allgemeinen auch erfolgreicher im Beruf und in sozialen Beziehungen sind. Eventuell tragen aber auch Faktoren aus beiderlei Richtung dazu bei, dass dieser Zusammenhang zwischen Einkommen und dem Erleben von Sinn entsteht. Hierzu wird es wohl weiterer, vertiefter Forschungen bedürfen.

Zusammengefasst von Daniel Spitzenstätter, November 2016

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.