Klein, N. (2016). Prosocial behavior increases perceptions of meaning in life. The Journal of Positive Psychology, 12 (4), 354–361. doi: 10.1080/17439760.2016.1209541
Geht es um die Frage, was einem im Leben nicht fehlen darf, damit man es als flourishing (engl. to flourish = aufblühen, gedeihen) erlebt, wird man schnell auf das Empfinden von Lebenssinn kommen. Stellt man allerdings die Frage, was einer Gesellschaft nicht fehlen darf, damit sie gedeiht und wächst, rückt vor allem prosoziales Verhalten als Voraussetzung in den Vordergrund.
Nadav Klein interessierte sich in seiner Untersuchung nun für den Zusammenhang zwischen prosozialem Verhalten und dem Empfinden von Lebenssinn.
Die erste Studie bestand aus einer Analyse der Daten aus einer repräsentativen Stichprobe. Darin ließ sich eine positive Korrelation zwischen prosozialem Verhalten in Form von ehrenamtlicher Arbeit und Lebenssinn vorfinden.
Darauf aufbauend schloss Klein ein Experiment an, das er an einer amerikanischen Universität mit 50 Probanden (Durchschnittsalter: 22 Jahre) durchführte.
Diese bekamen jeweils 5 Dollar in bar ausgehändigt und wurden zufällig einer von zwei Gruppen zugeteilt. Die eine Gruppe erhielt die Anweisung, das Geld entweder zu spenden oder dafür zu verwenden, einer anderen Person ein Geschenk zu kaufen. Die andere Gruppe sollte das Geld ausschließlich für sich selbst ausgeben. Die Probanden hatten bis 8 Uhr am Abend Zeit, der Anweisung nachzukommen und einen weiteren Tag, den Fragebogen auszufüllen.
Die Ergebnisse daraus besagten, dass die Wahrnehmung von Lebenssinn für Probanden in der prosozialen Bedingung verstärkt war, im Vergleich zu der anderen Gruppe, die das Geld für sich selbst ausgegeben hatte.
Nachdem sich der Effekt dieser Form prosozialen Verhaltens auf Sinnerleben auch in seiner Studie gezeigt hatte, wollte Klein untersuchen, welche Faktoren bei diesem Prozess beteiligt waren. Komponenten, die sich in anderen Studien auf Sinnerleben ausgewirkt hatten, wurden dafür durch Fragebögen erhoben. Der Versuchsaufbau war der gleiche wie davor: 61 Probanden einer Universität in den USA bei einem Durchschnittsalter von 19 Jahren wurden zufällig entweder der prosozialen Bedingung (Geld für andere ausgeben/spenden) oder der selbstbezogenen Bedingung (Geld für sich selbst ausgeben/eigene Rechnungen bezahlen) zugewiesen. Die Probanden hatten bis 11 Uhr am Abend Zeit, der Anweisung nachzukommen und füllten danach mehrere Fragebögen aus, die unterschiedliche Prädiktoren von Sinnerleben betrafen. Dazu zählten:
– Selbstwert
– Verbundenheit zu anderen Menschen
– Gefühl von Kontrolle über das Leben und
– Bestätigung von Werten.
Zusätzlich ließ er von unabhängigen Beobachtern einschätzen, ob die getätigten Einkäufe aus der Gruppe mit der prosozialen Bedingung tatsächlich anderen zugutekamen als vielleicht doch eher im Eigeninteresse lagen. Ihrer Einschätzung nach waren die Einkäufe der Gruppenmitglieder in dieser Bedingung tatsächlich mehr an dem Wohl anderer Menschen ausgerichtet als die Einkäufe der Gruppe in der selbstbezogenen Bedingung.
Ergebnisse
Wie in der Studie davor zeigte sich ein positiver Effekt des prosozialen Verhaltens auf das Sinnerleben. Dieser Effekt hielt auch stand, wenn dabei die positive Stimmung kontrolliert wurde, d.h. die höhere Beurteilung von Lebenssinn lag nicht daran, dass die Probanden in der prosozialen Bedingung glücklicher gewesen wären.
Es zeigte sich jedoch nicht, dass das „Geld ausgeben für andere“ einen positiven Effekt auf das Gefühl von Kontrolle über das Leben gehabt hätte, noch fühlten sich die Probanden in ihren Werten signifikant bestätigt.
Einen positiven Effekt gab es allerdings bezogen auf den Selbstwert sowie auf das Gefühl der Verbundenheit zu anderen Menschen. In einer weiteren Analyse tat sich der Selbstwert als der Faktor hervor, der zwischen sozialem Verhalten und Sinnerleben steht. Dies legt nahe, dass die Probanden hauptsächlich deswegen ein erhöhtes Sinnerleben berichteten, weil sich durch das „Geld ausgeben für andere“ ihr Selbstwertgefühl gesteigert hatte.
Kontrolliert für den Selbstwert, zeigte sich keine Korrelation mehr zwischen prosozialem Verhalten und Sinnerleben.
FAZIT
Die Ergebnisse aus dieser Untersuchung weisen darauf hin, dass es nicht nur für die Gesellschaft als Ganzes vorteilhaft ist, wenn sich ihre Mitglieder prosozial verhalten, sondern dass auch der Einzelne (in diesem Fall der Helfende) einen psychosozialen Nutzen daraus ziehen kann.
Frühere Studien stellten als mögliche Erklärung für prosoziales Verhalten vor allem den Reziprozitätsgedanken in den Vordergrund. Demnach helfen wir, weil wir erwarten, dass unsere gute Tat von anderen honoriert wird und sich später auszahlt, wenn wir selber Hilfe brauchen. Diese Studie liefert Hinweise darauf, dass auch ein anderer Effekt eine Rolle spielt: Auch ohne dass sich unsere Reputation durch die geleistete Hilfe erhöht, ist prosoziales Verhalten für uns reizvoll, da es uns in unserem Selbstwert stärkt.
Und dies wiederum hilft uns dabei, das Leben als sinnvoll wahrzunehmen.
Zusammengefasst von Yannik Möller