Schmitz, E., 2005, „Sinnkrisen, Belastungen, Lebenssinn – psychologische Perspektive, Konzepte und Forschung“, Sonderdruck aus: Petzold H. G., Orth I. (Hgg.), Sinn, Sinnerfahrung, Lebenssinn in Psychologie und Psychotherapie, 122- 155.
Zusammengefasst von Tatjana Hoffmann:
Empfinden wir mehr Sinn im Leben, wenn wir schwere, oft tragische Lebensereignisse zu bewältigen haben? Oder lässt uns das Sinnempfinden besser, kompetenter mit ebensolchem Leid im Leben umgehen? Mit solchen Überlegungen beschäftigen sich Laien wie auch Wissenschaftler in Selbstreflexionen, psychotherapeutischen und psychiatrischen Arbeiten, Tagebuchaufzeichnungen, sowie philosophischen Diskussionen.
Die Frage nach dem Sinn des Lebens im Allgemeinen ist streng wissenschaftlich nicht messbar. Die Psychologie arbeitet hier an der Frage nach dem persönlichen Lebenssinn des einzelnen Menschen.
Die wichtigsten Methoden zur Erfassung von Sinnempfinden lassen sich in zwei Hauptverfahren aufteilen. Die einen sind standardisierte Fragebögen, wie z.B. Purpose in Life Test (PIL), Seeking of Noetic Goals Test (SONG), Life Regard Index (LRI) und Life Attitude Profile Revised (LAP-R). Das zweite Hauptverfahren, die Interviewmethode umfasst alle freien Erzählungen. Allerdings ist anzumerken, dass die Forschung zu Lebenssinn und Sinnerleben z.T. immer noch sehr subjektiv ist und sich daher oft methodischen und logischen Überprüfungen entzieht.
Viktor Frankl ging davon aus, dass wir in lebensbedrohlichen Situationen einen besonders starken „Willen zum Sinn“ entwickeln. Newcomb und Harlow zeigen hingegen, dass die Sinnlosigkeit bedingt durch schwere Einschnitte im Leben wie Krankheit, z.B. Krebs- oder HIV- Diagnose, schwerer Unfall, Folter oder auch Stress zu Leiden wie etwa Süchten führen kann.
Sinnverlust resultiert aus Kontrollverlust über das eigene Leben. Hierbei ist es entscheidend, wie das Ereignis subjektiv bewertet wird und auf welche Gründe die Person den Kontrollverlust zurückführt. Ist dieser auf eine bestimmte Situation beschränkt, so kann die Person besser damit umgehen, indem sie sich in der Bewältigung gezielt auf dieses eine, oder auch mehrere, aber einzelne Bereiche konzentriert. Verspürt die Person nach einem solchen Ereignis aber das Gefühl auf der ganzen Linie zu versagen, d.h. vollkommene Hilflosigkeit, so stellt sie sich als gesamte Person in Frage und ist mit der Verarbeitung schnell überfordert.
Menschen, die fähig sind Befriedigung zu erfahren, optimistisch die Zukunft zu planen und in verschiedenen sozialen Rollen zu fungieren, verarbeiten Lebenskrisen besser. Zudem erfährt eine Person umso weniger Sinnverlust, je höher die Anzahl der Bereiche ist, in denen sie fest verankert ist, wie z.B. Arbeitsplatz, Glaubensgemeinschaft und Familie.
Kritische Lebensereignisse sind Entwicklungsaufgaben. Diese sind entsprechend den persönlichen Kompetenzen zu bewältigen. Ist hierbei der Bewältigungsprozess die Quelle der Sinnfindung? Lebenskrisen können eine Art Weckruf sein, das Leben zu überdenken, neue Prioritäten zu setzten und Interessen zu erforschen. Sie können aber auch zur Aufgabe jeglicher Ziele im Leben und zu einem Gefühl tiefer Sinnlosigkeit führen. Damit haben sowohl Harlow, als auch Frankl in ihrer Annahme Recht. Es liegt also ein gutes Stück weit an uns selbst, ob wir durch solche Situationen verzweifeln, oder die Zügel packen und neue Sichtweisen für das Leben gewinnen.