Kern P. (1992). Eine „Sinn-Gruppe“ als Zusatzangebot bei der stationären Behandlung von Suchtkranken. Sucht 38, S. 173-179
Für die Therapie und den Therapieerfolg von Suchtkranken spielt die Beantwortung von Sinnfragen eine wichtige Rolle. In einer Fachklinik für Suchtkranke wurde den Patienten angeboten, freiwillig bei einer „Sinn-Gruppe“ teilzunehmen. In den Gruppensitzungen wurden verschiedene Themen behandelt, wie beispielsweise Freiheit, Entscheidungen, Gewissen und Sinn. In verzweifelten Situationen soll es den Teilnehmern möglich sein, sich an die Aussagen und Gespräche zu erinnern, die in der Gruppe stattgefunden haben.
Als Basis dieser „Sinn-Gruppe“ wurde das von Victor E. Frankl entwickelte Menschenbild verwendet. Für Frankl sind wir alle Wesen, die von vornherein auf der Suche nach Sinn sind und sein Menschenbild weist darauf hin, dass auch verzweifelte und scheinbar aussichtlose Situationen noch Möglichkeiten zur Sinnfindung bieten.
Da die Teilnehmeranzahl zu gering war, konnten keine statistischen Aussagen abgeleitet werden, allerdings lässt sich feststellen, dass ein sehr großes Interesse der Beteiligten vorhanden war, dass diese die „Sinn-Gruppe“ als sehr wichtigen Teil ihrer Therapie ansahen und dass die Gespräche innerhalb Gruppe hilfreich waren für die Beantwortung eigener Fragen. Die Teilnehmer der Gruppensitzungen füllten zu Beginn der Therapie in der ersten Gruppenstunde den „Purpose in life“ Test nach Crumbaugh & Maholick (1964) aus. Es ergaben sich deutliche Unterschiede zwischen den Werten der „Sinn-Gruppe“-Patienten und denen von Nicht-Patienten im Hinblick auf die Sinnperspektive. Die Gruppenteilnehmer empfanden ihr Leben deutlich wertloser, sie gaben an, nicht zu wissen, warum sie da sind und dass sie in ihrem Leben keine verantwortungsvollen Aufgaben sehen. In einem abschließenden Beurteilungsbogen nach der Therapie gaben die Gruppenteilnehmer an, dass sie durch die Hilfe der „Sinn-Gruppe“ ihr Leben in Zukunft sinnvoller und verantwortungsbewusster werden gestalten können.
Was halten Sie von einer solchen „Sinn-Gruppe“ als Teil einer Therapie? Können sich Ihrer Meinung nach neue Sinnperspektiven auftun, wenn man in der Gruppe über das Thema spricht?