Schnell, T., Becker, P. (2006). Personality and meaning in life. Personality and Individual Differences, 41, 117-129.
Zusammengefasst von Simone Schmit:
In dem Artikel „Personality and meaning in life“ geht es um die Beziehung zwischen Persönlichkeit und zwei folgend beschriebenen Aspekten des Lebenssinnes:
- Die Sinnerfüllung- d.h. Sinnerleben: das Ausmaß an empfundener Sinnerfüllung.
- Die Quellen des Sinnes: Lebensbedeutungen, durch welche der Mensch Sinnerfüllung erfahren kann; beispielsweise Selbst-Transzendenz, wozu Religiösität, Spiritualität und Naturverbundenheit gehören, oder Selbstverwirklichung (Individualität, Macht, Freiheit usw.) sowie Ordnung (Vernunft, Moral, Tradition usw) und Wir- und Wohlgefühl ( Spaß, Wellness, Liebe usw.)
Für die im Artikel beschriebene Untersuchung ging man von 3 Hypothesen aus.
- Die erste Hypothese geht von einem gemäßigten Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Sinnerfüllung aus. So nahm man an, dass eine extravertierte Person, also eine ihrer Umwelt gegenüber aufgeschlossene Person, eine hohe Sinnerfüllung aufweist.Persönlichkeit ——–> Sinnerfüllung
- Zur zweiten Hypothese: Persönlichkeitsfaktoren lassen mittels der Sinnquellen auf die Sinnerfüllung schliessen. So könnte man sagen, dass bei bestimmten Persönlichkeitseigenschaften bestimmte Lebensbedeutungen bevorzugt werden, und über diese dann wiederum Sinnerfüllung erlebt wird.Persönlichkeitsmerkmale —–> Lebensbedeutungen ——-> Sinnerfüllung
- Die dritte Hypothese besagt, dass es möglich ist, ganz spezifische Lebensbedeutungen anhand der Persönlichkeit vorherzusagen. Man könnte also vorhersagen, dass eine bestimmte Kombination von Persönlichkeitseigenschaften, wie hohe Extraversion und hohe Verträglichkeit, mit der Lebensbedeutung ‚Gemeinschaft‘ einhergeht.
Um herauszufinden, ob sich diese Hyptohesen bestätigen, wurden 202 Männer und Frauen aus ganz Deutschland untersucht. Bei den Persönlichkeitsmerkmalen ging man von den 4 folgenden aus, erfasst mit dem Trierer Integrierten Persönlichkeitsinventar von Becker:
- Neurotizismus: bezeichnet Menschen, die oft besorgt, ängstlich, unsicher sind.
- Extraversion/Offenheit: bezeichnet aktive und enthusiastische Personen.
- Gewissenhaftigkeit: kennzeichnet Menschen, für die Selbstdisziplin und Fürsorge wichtig sind.
- Verträglichkeit: einfühlsam, wenig nachtragend oder misstrauisch.
Die Untersuchung brachte folgende Ergebnisse hervor: Die erste und die dritte Hypothese sind bestätigt worden.
Die erste Hypothese betreffend (Sinnerfüllung durch Persönlichkeitsmerkmale hervorsagen) konnte für die Persönlichkeitsmerkmale Extraversion/Offenheit, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit mit eindeutigen Ergebnissen bestätigt werden. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass sich nur 16 % der Unterschiedlichkeit der Sinnerfüllung mittels der 4 Persönlichkeitsmerkmale erklären lassen. Menschen, die ihr Leben als sinnerfüllt erleben, kann man also als tendenziell eher extravertiert, offen, verträglich und pflichtbewusst beschreiben.
Interessant ist auch dass es keinen negativen Zusammenhang zwischen Neurotizismus und Sinnerfüllung gibt. So kann man sagen, dass auch bei seelischer Instabilität Sinnerfüllung möglich ist. Theoretisch kann jeder Sinnerfüllung erfahren, unabhängig von den jeweiligen Persönlichkeitsmerkmalen!
Zur zweiten Hypothese (Sinnerfüllung durch Persönlichkeitsmerkmale via Lebensbedeutungen vorhersagen). Das interessanteste Ergebnis war hier, dass die Sinnerfüllung extravertierter Menschen unabhängig ist von der Sinnesquelle, die die Person wählt: – es gibt also einen direkten Weg von Extraversion zur Sinnerfüllung.
Die Hypothese 3 (Vorhersage spezifischer Sinnesquellen durch Persönlichkeitsmerkmale) konnte bestätigt werden. So kann man beispielsweise sagen, dass Personen mit den Persönlichkeitsmerkmalen Extraversion und Gewissenhaftigkeit ihre Sinnerfüllung in den Lebensbedeutungen Entwicklung, Leistung und Fürsorge finden. Menschen mit hoher Extraversion verwirklichen häufig die Lebensbedeutungen Spaß, Herausforderung und Individualität auf. Besonders niedriger Neurotizismus findet sich bei Menschen, die Macht als sinnstiftend erleben. Personen mit hohem Neurotizismus beschreiben häufig Spiritualität, Liebe und Harmonie als zentrale Sinnquellen. Warum wohl gerade diese drei Lebensbedeutungen? Vielleicht stellen sie besonders gute Anker dar für Menschen, die viel grübeln, Verlassensängste haben und selbstunsicher sind.